USA. Während Gesunde auf
negative Hinweise zu ihrer Person eher neutral reagieren, scheinen
depressive Menschen diese als Anlass zu nehmen, nach weiteren negativen
Rückmeldungen Ausschau zu halten. Ein solches Verhalten ist langfristig
jedoch kaum geeignet, die Depression aufzuhellen. Eher bestätigt sich das
ohnehin schlechte Selbstbild der Patienten und verschlechtern sich die
Beziehungen, da vermehrt Ablehnung zur Sprache kommt. Zu diesen
Feststellungen gelangen T. S. Casbon und Mitarbeiter aufgrund von zwei
Studien, in denen Sie das Verhalten depressiver Personen in engen
Zweierbeziehungen untersuchten. Im einen Fall handelte es sich um 40
studentische Zimmermitbewohner (Studie 1), im anderen Fall um 60 frisch
vermählte Paare (Studie 2). Während in Studie 1 nur Fragebögen beantwortet
wurden, analysierte Studie 2 Dialoge der Ehepartner. In beiden
Untersuchungen verhielten sich depressive Personen in der eingangs
beschriebenen Weise.
Nach Ansicht der
Autoren belegen immer mehr Befunde, dass ungünstiges Verhalten in sozialen
Beziehungen, insbesondere Kritik, Depressionen fördert. Für depressive
Menschen wäre es daher hilfreich, sich durch negative Rückmeldungen zu
angemessenerem Verhalten anregen zu lassen und so weiteren Abweisungen
vorzubeugen. Umso mehr erstaunt, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Als
wäre es nicht schon genug, neigen depressive Menschen offenbar dazu,
weitere negative Rückmeldungen zu suchen.
Das vordergründig
widersinnig erscheinende Verhalten macht zumindest aus Sicht der
„Selbstbestätigungstheorie“ Sinn. Danach streben Menschen danach, ihr
Selbstbild (leider auch ein negatives!) möglichst durch passende
Erfahrungen zu bestätigen, was dann zumindest auf kognitiver Ebene
befriedigt (Annahme und Wirklichkeit scheinen überein zu stimmen). Die
erwähnte Theorie lässt offen, wie viel passendes Feedback ein Mensch im
Einzelfall benötigt, um die Suche einstellen zu können. Für depressive
Personen kann erschwerend hinzu kommen, dass sich ihre kognitiven und
affektiven Bedürfnissen komplett widersprechen („inneres Kreuzfeuer“):
Affektiv wünschen sich die Betroffenen durchaus positive Rückmeldungen
(„Beruhigung“), während kognitiv die Suche nach negativem Feedback
(„Bestätigung“) anhält. In der Praxis ergibt sich daraus ein unlösbarer
Konflikt, der depressive Menschen zwischen den beiden unvereinbaren Zielen
„positive Beruhigung“ und „negative Bestätigung“ hin- und her irren lässt.
Für die Umwelt ist dies auf Dauer nicht nur irritierend, sondern mitunter
so belastend, dass Beziehungen oft enden.
T.
S. Casbon u. a.: Receipt of negative feedback is related to increased
negative feedback seeking among individuals with depressive symptoms.
Behaviour Research and Therapy 2005 (43) 485-504 |