Traktieren Sie den Patienten nicht mit moralischen Appellen (wie „die
Haltung zu bewahren“, „sich zusammenzureißen“, „anderen das Leben nicht so
schwer zu machen“). Denn depressive Menschen haben nicht die Kraft, den
Grauschleier über ihrer Gefühlswelt zu durchdringen und eingeschliffene
Denkmuster zu verlassen. Appelle nagen nur an dem ohnehin meist schwachen
Selbstwertgefühl. Sie verstärken Selbstzweifel, Mut- und
Hoffnungslosigkeit. Auch die oft schon vorhandenen Schuldgefühle werden
durch Vorwürfe unnötig vermehrt. Meist wirkungslos sind außerdem
Ablenkungsmanöver, Vergnügungsangebote,
|
Zerstreuungsbemühungen
und gut gemeinte Vorschläge, die Welt doch zu genießen. Der Kranke will
durchaus das Schöne im Leben sehen, aber er kann es einfach nicht. Ähnliches
gilt für Hinweise darauf, wie gut es dem Kranken eigentlich gehe und dass
er sich doch darüber freuen müsse. Solche Bemerkungen vertiefen nur den
Graben zwischen dem Kranken und Ihnen. Eher selten profitieren Depressive
von Urlauben, wo sie sich meist auch nicht freuen können und zudem häufig
Schwierigkeiten haben, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Nicht
selten kommt in der fremden Umgebung auch schwere Angst hinzu.
|